Realer Raum – Bild Raum
Im Werk des Malers und ehemaligen Professors der
HBK Braunschweig, Lienhard von Monkiewitsch, zieht
sich der Raum als Bildthema wie ein roter Faden durch
das Werk. Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn
steht die Entscheidung, den leeren Raum als einzigen
Gegenstand auf den Bildträger zu bannen, fest. Seine Boden-
Leisten-Bilder zeigen eine täuschend echt wiedergegebene
Fußbodenzone mit einer Leiste, die den Übergang
zur Wand markiert. Der Verlauf des Fußbodens und
der Wand evozieren Flure oder Räume, die nicht malerisch
ausgeführt wurden, aber von der Vorstellungskraft
des Betrachters definiert werden können und sollen. 1979
brachte das Stipendium in der Villa Massimo in Rom die
künstlerische Neuorientierung. Das Raumthema wird
mit monumentalen Cut-outs, die wie Architekturtorsi vor
der Wand schweben, neu umgesetzt. Die Grundfläche jeder
Arbeit liegt parallel zur realen Fußbodenleiste des
Raumes und kann an der realen Wand seine illusionistische
Kraft als eigenständiger Raum mit Wänden und
Durchbrüchen entwickeln. Der Moment vom Täuschen
und Enttäuschen ist im Konzept des Künstlers elementar
und wird bewusst herbeigeführt. Die Farbe besteht aus
einem Gemisch von Harz und Erde aus der Umgebung
von Rom, so dass die Formen aus der Materialität eine
reale Wahrhaftigkeit beziehen.
Lienhard von Monkiewitsch wandte sich 1983 der konstruktivistisch-
konkreten Kunst zu, arbeitet seriell und
verteilt vorgegebene Module nach einer festgelegten Regel
auf der Bildfläche. Das Maß bestimmen auch die Fibonacci
Zahlen, die Relationen von Flächen beschreiben
können und in einer bestimmten Kombination ein Quadrat
formulieren. So entsteht aus dem eigenen künstlerischen
Prozess heraus das schwarze Quadrat, jene Ikone
der Moderne, mit der der Suprematist Malewitsch in die
Kunstgeschichte eingegangen ist. Monkiewitsch aber
zerstört die Form und ihren Nimbus. Die Serie „Zwei
Schnitte in das suprematistische Quadrat“ von 1985 zeigt
eine Fülle von Bildformen und bringt das schwarze Quadrat,
entmythisiert zur reinen Form in die eigene Kunst
zurück. Durch die Materialität der Farbe bekommt die
Form zur haptischen noch eine geistige Realität zugeführt.
Das besonders satte, tiefe Schwarz, dass jedes Licht
aufsaugt, entsteht durch die Beimischung von schwarzem
Pigment in die noch feuchte Ölfarbe. Es entwickelt eine
Tiefe, die dem Betrachter den kosmischen Blick in die
Unendlichkeit eröffnet, der ihn wieder auf sich selbst
zurückwirft und seinen eigenen, inneren Raum erfahrbar
macht. Die Kunst von Lienhard von Monkiewitsch ist
geprägt vom „Denken mit der Hand“ und verbindet geistige
mit materiellen Qualitäten. Sie eröffnet Räume,
deutet an und lässt Form und Materie zu Trägern eines
geistigen wie auch existierenden Raumes werden.
Im Salon Salder werden zwei Arbeiten zu sehen sein. Die
Wand ist immer Teil der Arbeiten von Monkiewitsch.
Hier kommt ihr eine Doppelrolle zu, so ist sie einerseits
Referenz des realen Raumes, andererseits auch Bildgrund
im Illusionsraum der Malerei. Der Betrachter
blickt auf tiefschwarze, regelmäßig angeordnete, perspektivisch
zulaufende Quadrate, die bildkonstituierend
direkt auf der Wand aufgetragen werden. Je nach Entfernung
kann er sie als Fläche, als Form auf weißem
Grund wahrnehmen oder räumlich, als Fensteröffnungen
an einer Häuserfassade erleben. Die satte Materialität der
Farbe macht greifbar, was das Auge nicht klar definieren
kann. Die Wand ist durch ihre Doppelrolle nicht eindeutig
dem realen oder künstlerischen Raum zuzuordnen
und oszilliert, je nach Standort des Betrachters, zwischen
Illusion und Realität.
In einer achtteiligen Fotoarbeit, die meist menschenleere
Orte und Plätze in Berlin zeigt, werden ein Quadrat,
ein Parallelogramm und ein schmales Rechteck collageartig
in den fotografierten Raum gesetzt. Die Formen haben
den geschützten Innenraum verlassen und werden als
Kunst im Außenraum erfahrbar. In surrealer Manier entwickeln
die schwarzen Flächen vor den Augen des Betrachters
ein skulpturales Eigenleben, als seien sie tatsächlich
vor Ort aufgestellt oder werden enttarnt, wenn
sie flächig wie Leerstellen vor dem Himmel oder der Architektur
schweben. Lienhard von Monkiewitsch lässt
den Betrachter Räume in der Kunst und in sich selbst
entdecken. Der Künstler lotet dessen Tiefen mittels Form
und Farbe leicht und spielerisch aus.
Pia Kranz
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Lienhard von Monkiewitsch
geboren 1941 in Steterburg (Salzgitter),
lebt und arbeitet in Braunschweig