Salon Salder


Schein und Sein

Die Künstlerin Inka Nowoitnick ist im diesjährigen Salon Salder mit zwei Arbeiten vertreten. Inka Nowoitnick analysiert in ihren Werken den Gebrauch und die Platzierung von Heiligtümern und Ikonen in der Alltagskultur unserer Zeit. Sie verfolgt die christlich-religiösen Symbole und Rituale in der Gegenwart nach und findet deren Spuren in ihren eigenen Arbeiten, in den privaten Vitrinen wie auch im öffentlichen Raum wo besonders die Werbung ihre Produkte mit kirchlich-religiösen Assoziationen auflädt. Die Künstlerin interessiert sich besonders für den Aneignungsprozess. Was bleibt von den Inhalten übrig, wie werden die traditionellen Reize in neue Zusammenhänge übertragen und anerkannt?

Heimliche Übernahme
Die fahrbare Wunschmaschine ist ein vielschichtiges Objekt, an dem das künstlerische Konzept wie auch der Aneignungsprozess durch die Betrachter nachvollzogen werden kann. Sie ist eigentlich eine mobile Kultstätte ‚to go‘. Ein schlichter Holzaufbau mit künstlichen Kerzen, die auf Knopfdruck für fünf Minuten leuchten, steht auf einem fahrbaren, hellblau leuchtenden Quader, auf dessen Front rechts und links je eine Dickblattpflanze mit drei großen rosafarbenen Blüten zu sehen ist. Diese Blüten sind ein durchgehendes Motiv – ein branding – in den Arbeiten der Künstlerin. Der schmucklose Holzaufbau mit den Kunststoffkerzen erinnert an das beliebte kirchliche Dank- und Gedenkritual des Kerze Anzündens und seine schlichte Form schafft eine würdige, authentische Atmosphäre, die den Betrachter ernst nimmt. Das Gebet wurde durch den Wunsch ersetzt, wodurch die Menschen der christlichen Sphäre den Rücken kehren und die Magie der Märchenwelt betreten. Das Ritual passt sich durch Knopfdruck effizient der modernen Welt an. Der Unterbau wirkt dagegen wie eine bunte Leuchtreklame und kann sich in der Konsumwelt behaupten. Die Maschine steht an jedem Ort glaubhaft, egal ob neben der Rolltreppe oder dem Fahrscheinautomaten. Durch ihre populären Standorte ist sie allen Menschen quer durch die Gesellschaft zugänglich gemacht worden. Die Maschine konnte unabhängig vom Glauben, Geschlecht, Vermögen und Alter genutzt werden. Manche empfanden sie nur als unterhaltsamen Gag, andere legten kleine Opfergaben ab oder knieten sogar kurz davor. Ein bisschen ernst gemeint war das Wünschen doch. Alle durften alles wünschen, egal ob Konsumartikel, Liebe oder Gesundheit. Gedenkrituale im Zeitalter der Beschleunigung –Wunsch und Ritual als kostenloses give-away im geschäftigen Alltag zwischen Supermarkt, Bahnsteig und Garderobe für jedermann. Oder deckte sie den Wunsch danach erst auf ? Die Maschine bleibt an jedem Ort ein Kunstwerk. Die Blüten stehen im Werkzusammenhang der Künstlerin und sind ein wiedererkennbares Zeichen. Kunst trifft auf Marke und die ‚heimliche Übernahme‘, die im Titel angedeutet ist, konnte starten. Die künstlerische Welt der Inka Nowoitnick ist verlinkt mit der kommerziellen Produktwelt und bekommt auch im öffentlichen Raum eine Stimme im Diskurs um Deutungshoheiten und Weltanschauungen.

In 80 Tagen um die Welt
In der Filmarbeit tritt die Wunschmaschine eine fiktive Weltreise an. Nowoitnick montierte eine Abbildung der Maschine in Fotos hinein, die Freunde von ihren Reisen schickten und formulierte passende, fiktive Texte dazu. Fotografie und Film wurden traditionell für die Dokumentation eingesetzt und vermitteln immer den Eindruck einer Realität. Diese Technik kann glaubwürdige Fakes erstellen, wie in diesem Fall. Die bekannten Synchronsprecher Norbert Langer (Magnum u.a.) und Tilo Schmitz (Captain Utah, Ice Age 4 u.a.) hatten die Texte eingelesen und damit gesellte sich auch der Fernsehzuschauer zum Kunstbetrachter. Der Film vermischt verschiedene Erfahrungswelten, die mit unterschiedlichen Erwartungen verbunden sind. Eine Fernsehdokumentation hat den Nimbus eines informativen und authentischen Beitrags, dem der Zuschauer vertrauen und von dem er lernen kann. Dieses Vertrauen wird hier geweckt und gleichzeitig in Frage gestellt, denn als Kunstwerk hinterfragt der Film die Realität. Mit einem Augenzwinkern schlägt es die Realität mit ihren eigenen Waffen. Sucht der Betrachter nach dem Wahrheitsgehalt, muss er sich von der Kunst fragen lassen, was er bereit ist zu glauben und für wahr zu halten. In der Kunst wie im alltäglichen Leben.

Pia Kranz

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Inka Nowoitnick
geboren 1966 in Berlin,
lebt und arbeitet in Braunschweig