Salon Salder


Fiktion der Bilder

Der Umgang mit der Bilderflut des digitalen Zeitalters ist ein wichtiges Thema der heutigen Zeit. Fotoplattformen wie Instagram und Flickr bieten den Benutzern ihre Speicherkapazitäten an und versprechen, wie Flickr: Nie mehr Fotos löschen! Alles bleibt im unbegrenzten Datenspeicher erhalten. Alles besteht gleichrangig nebeneinander. Private Erinnerungsfotos, unzählige Selfies und alles, was die politische Öffentlichkeit interessiert. Wir sind digitale Bilder-Messies und arbeiten gegen das Vergessen, für unsere Memoria. Johann Büsen schreckt das nicht. Die Bilderflut ist das Ausgangsmaterial für die eigenen künstlerischen Arbeiten. Er sammelt Bild- und Videofragmente im Internet, legt sie gemeinsam mit den eigenen Zeichnungen und Fotografien in seinem Archiv ab und kann über ein Schlagwortsystem darauf zugreifen. Am Bildschirm fügt Büsen die Fragmente gespiegelt, geschichtet und überlagernd zusammen, bis sie sich zu farbintensiven Bilderzählungen von assoziationsreicher Dichte entwickelt haben. Die digitale Bilderwelt wird vom Künstler kompositorisch, malerisch und grafisch bearbeitet. Er bricht den realen Charakter der Bildvorlagen, arbeitet zeichnerisch und setzt auch die Farbe vielfältig ein. Mal deckend, beschreibend, dann aquarellartig verlaufend, so dass sich die Formen darunter auflösen. Als Pigmentdruck auf Leinwand wird das Malerische noch einmal betont, wie in der Arbeit „The Collector“. Durch die Verwendung von Acrylglas bei einem Farbdruck auf Dibond wird die brillante Farbigkeit hervorgehoben.

Die monumentale Wandarbeit „The Collector“, übrigens der Titel eines Horrorfilms, erinnert durch Bildgegenstände wie Sessel, Aquarium und die bunte, längsgestreifte Tapete auf den ersten Blick an ein vollgestelltes Wohnzimmer. Der Vordergrund ist zum Betrachter geöffnet und holt ihn – fast schon wortwörtlich, bei einer Höhe von 240 cm – in das Bild hinein. Zwischen benennbaren Elementen lagern durchsichtige Kuben, Gerüste und andere Fragmente. Als sei eine heftige Windböe über das Bild gegangen, fliegen aufgewirbelte Blätter, Farbschnipsel und schimmernde Lichtreflexe umher, die eine magische Atmosphäre über die Szene legen.

Das Bild gleicht einer vielschichtigen surrealen Traumwelt. Die Dinge stehen formal oder durch das Kolorit in Beziehung zueinander, ergeben aber keine schlüssige Erzählung. Ein Hund mit einer maulkorbähnlichen Maske schaut uns unterwürfig und gleichzeitig verschlagen an. Eine blaue Leine verbindet ihn mit seiner jungen Herrin, die abwesend zu Boden blickt und wie ein Geist im rechten Bildraum steht. Der seriöse ältere Herr von rechts blickt zu ihr hinüber. Durch Büsens Kunst verfremdet, kann die überbordende Bilderflut wieder zur menschlichen Erinnerung werden: Fragmentarisch, nicht dokumentarisch. Erst unsere Sprache spannt den großen erzählerischen Bogen über unser Dasein, nicht das Bild.

In den kleineren Arbeiten haben sich Büsens Arbeiten zu atmosphärisch dichten Tafelbildern entwickelt, die an Filmstills aus Science Fiction Produktionen erinnern. Urzeitliche Tiere wie Saurier und Gürteltiere tummeln sich in üppiger Vegetation oder leihen dem modernen Menschen ihre Beine. „Bionic“ erinnert an einen ‚Prothesengott‘, der, wie Freud einst bemerkte, recht großartig sei, wenn er seine Hilfsorgane anlege. Dennoch bemerkt der Mann den Meteoriten hinter sich nicht, als habe er seine Instinkte verloren, die ihn früher schützten. Ein junger Mann steht in einem Hinterhof. Er steht kampfbereit mit nacktem Oberkörper und nur einem speerähnlichen Stock bewaffnet auf einem Autowrack. Heldenhaft und doch irgendwie verletzlich. Ein kleines Mädchen hält ein längliches Tier, wie eine Schultüte in ihren Armen. Hinter dem Kind steht eine große verhüllte Gestalt, schützend und bedrohlich zugleich. Um beide herum schweben kryptische Zeichen. Der Mensch kennt die Gesetze der Natur und hat viel Wissen angesammelt, um sich vor ihren Kräften zu schützen. Bis heute ist sie die große Lehrmeisterin des Menschen. Können Ideologie, Mystik und Verblendung diese fruchtbare Verbindung zwischen Mensch und Natur zerstören? Wie verhält sich der zivilisierte Mensch in seiner Welt: archaisch kampfbereit, rückwärtsgewandt, sich zurückziehend oder als Cyborg, der die Welt mit Hilfe seiner Technologie beherrschen will? Die Bilderwelten von Johann Büsen zeigen Szenarien dazu mit den Bildern unserer Zeit.

Pia Kranz

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Johann Büsen
geboren 1984 in Paderborn,
lebt und arbeitet in München und Bremen