Skulpturen aus Licht und Schatten
Wie sie bezeichnen?
Ist sie eine Bildhauerin, Fotografin,
Malerin, Zeichnerin? Ist sie eine Konzeptkünstlerin?
Alle diese Etiketten
sind ihr zu eng. Sie treffen es nicht,
und Johanna von Monkiewitsch will
sie auch nicht. Sie bedient sich unterschiedlicher
Medien, wie es ihr für
ihre jeweilige künstlerische Arbeit
nützlich erscheint. Und dass sie dabei
eine Idee verfolgt, also reflektiert und
nicht naiv ans Werk geht, scheint ihr
derart selbstverständlich, dass es schon
gar nicht der Rede wert ist. Sicher
spielt der Fotoapparat als Medium der
Bildgestaltung in ihrem Werk eine
große Rolle. Aber vor allem, weil er
die Möglichkeiten unseres Sehens
erweitert. Nicht weil er das große
symbolische Bild inszeniert. Sondern
weil er in der Lage ist, optische
Phänomene so festzuhalten, wie es
das menschliche Auge nicht kann.
Dass er, von Johanna von Monkiewitsch
geführt, dabei auch fähig ist,
uns auf den ersten Blick rätselhafte
und geheimnisvolle Bilder zu zeigen,
beweist ihr großes Tableau „Mond“
(2006). In zauberhafter Manier malt
die Künstlerin auf ihm mit Hilfe der
Fotolinse eine Situation aus Licht und
Schatten, die ebenso poetisch wie präzise
ist. Die luftigen Quader aus
durchscheinendem Mondlicht erinnern
uns an die Module der Minimal
Art. Als hätten die schweren Bodenplatten
von Carl Andre sich auf geheimnisvolle
Weise ausgedehnt, die
Gesetze der Schwerkraft überwunden
und schwebten nun als helle Lichterscheinungen,
einer Epiphanie nicht
unähnlich, in der Luft. Das Bild speichert
Zeit, die zu Raum wird. Per
Doppelbelichtung hat die Künstlerin
das Mondlicht, das im Jahre 2006
durch die Dachfenster ihres Braunschweiger
Ateliers fiel, aufgenommen
und ins Bild gebannt. Auch im Jahr
darauf ist Johanna von Monkiewitsch
in ihrer Kunst sowohl Spurensucherin
als auch Spurenleserin. Sie beobachtet,
wie das Licht der Sonne auf den
Boden ihres Studios fällt. Mit weißer
Kreide zeichnet sie ihren hellen Umriss
nach. Sie tut das etwa eine halbe
Stunde lang und dokumentiert dabei
die Bewegung der Erde. Durch deren
Drehung um die eigene Achse erfahren
die Lichttrapeze eine unterschiedlich
starke perspektivische Ver kürzung,
die in der Nachzeichnung deutlich
sichtbar wird. Die Parallelverschiebung
der Linien bewirkt einen
dreidimensionalen Eindruck. Einmal
mehr verbinden sich in dem Werk
Zeit und Raum. Die nachzeichnenden
Linien schaffen eine Skulptur, deren
Gestalt und Proportionen nicht die
Künstlerin bestimmt, sondern das einfallende
Licht. Auch bei dieser Arbeit
mit dem Titel „Eine Zeichnung, zwei
Skulpturen“ (2007) spielt der Fotoapparat
eine wichtige Rolle. Wenn die
Künstlerin ihre Zeichnung aus wechselnder
Perspektive aufnimmt, verändert
sich dasselbe Werk in geradezu
dramatischer Weise. Dieselbe zweidimensionale
Zeichnung wird in der
Fotografie zu zwei völlig unterschiedlichen
dreidimensionalen Gebilden.
Das Werk erteilt uns nicht nur eine
Lektion über die Tücken der Wahrnehmung,
sondern auch über das Problem
der Identität. Arthur Rimbauds
Befund „Ich ist ein anderer“ wird hier
ebenso klar und genau wie unangestrengt
und spielerisch ins Werk gesetzt.
Zwischen Fläche und Raum,
Schein und Sein changieren auch die
Papierarbeiten von Johanna von Monkiewitsch.
Unbeschriebene Din A 4
oder Din A 3 Blätter werden von ihr
so gefaltet, dass sich regelmäßige Vierecke
ergeben. Danach werden sie entfaltet,
mit den Knicken fotografiert
und vergrößert. Die Abzüge werden
dann an den sichtbaren Falzkanten
von ihr nachgefaltet, gerahmt und
unter Glas gebracht.
Das Ergebnis ist erstaunlich. Durch
den Eingriff der doppelten Faltung
entstehen reale und nicht reale Schatten,
die das Auge Mühe hat, auseinander
zu halten. Mehr noch: Ein
eigentlich Flächiges, das Blatt Papier,
wird räumlich und gewinnt dreidimensionale
Qualität. Der jahrhundertealte
Traum der Malerei, die
Fläche zu überlisten und auf ihr in
Augen täuschender Manier Raum
darzustellen, wird in diesen Werken
quasi en passant eingelöst. Je nach
Lichteinfall und Lichtsituation doppeln
sich in ihnen die Phänomene.
Virtualität und Realität gehen bruchlos
ineinander über. Aber, so tautologisch
die Papierarbeiten auch erschein
en: Es geht ihnen nicht um
Wiederholung, es geht um Differenz.
Nicht Gertrude Stein, „a rose is a rose
is a rose“, steht bei ihnen Pate, sondern
Platon. Trotz der orthogonalen Rasterstruktur
der Werke thematisiert
Johanna von Monkiewitsch in ihnen
nicht den zivilisationsmüden Blick
einer sich in endloser Monotonie verlierenden
Repetition, sondern die
Wahrheitsfrage des Höhlengleichnisses.
Michael Stoeber
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Johanna von Monkiewitsch
geboren 1979 in Rom,
lebt und arbeitet in Köln und Braunschweig