MALEN MIT ANDEREN MITTELN
Die neuen Werke von Maja Clas stehen in der Tradition
der Collage. Besonders in Hannover, wo die Künstlerin
lebt und arbeitet, blickt diese Kunstform auf eine große
und ruhmreiche Vergangenheit zurück. Hier begann
Kurt Schwitters (1887–1984), 1917 mitten im Ersten
Weltkrieg seine Bilder stärker zu kleben als zu malen.
Alle möglichen Realien aus dem Alltag wanderten in die
Kompositionen des Künstlers. Diese Strategie wollte von
Anfang an mehr als nur eine neue Kunstsprache sein. Die
Collage reagierte auf die Schocks des Krieges und die
Verwerfungen der Zeit. In den Schützengräben von Verdun
starben unter dem Dauerbeschuss der Kanonen
nicht allein Menschen, sondern dort gingen auch bis dahin
gültige Glaubensgewissheiten verloren.
In seinem Jahrhundertepos „The Waste Land“ beschrieb
Thomas Stearns Eliot (1888–1965), welche Auswirkungen
der Krieg für das Bewusstsein der Menschen hatte.
Was wir heute in Händen halten, so sein Befund, sei „just
a heap of broken images“, nur noch ein Haufen zerbrochener
Bilder. Die Kunst der Collage geht von der Diagnose
des Dichters aus und fügt zu ihr die Therapie. Aus
dem Bilderschutt der Moderne versucht sie, neue und
tragfähige Erzählungen zu entwickeln. Dass man ihr die
erlittenen Verletzungen dabei bis heute ansieht, ist nicht
allein ihrer Genese geschuldet, sondern zu allererst ihrer
künstlerischen Strategie. Dem Kleben und Zusammenfügen
geht das Schneiden und Zerteilen voran.
Genauso operieren die Collagen von Maja Clas. Die
Künstlerin findet für sie unterschiedliche Arten von Papier,
auf die sie ihre sorgfältig ausgeschnittenen und komponierten
Papierschnipsel klebt. Die Papiere, die sie als Bildgründe
nutzt, sind Monochrome. Sie reichen vom roten
Geschenkpapier über schwarzes Glanzpapier bis zum fragilen,
grünen Flatterpapier. Oft faltet sie diese Papiere
und zieht sie danach wieder auseinander. Die entstandenen
Kniffe überziehen den Bildgrund mit einer Kartografie
aus Linien, in die sich die Papierschnipsel einfügen.
Manchmal tragen die Papiere aber auch schon Lineaturen,
die ein gewisses Ordnungsraster vorgeben, mit
denen die Papierfragmente als Bildfiguren dann interagieren.
Diese Interaktion trägt sehr malerische Züge, weil die
farbigen Papierstücke auf dem jeweiligen monochromen
Bildgrund stark leuchtend hervortreten. Zwei ihrer Werke
nutzen als Bildgrund schwarzes Glanzpapier mit einem
unregelmäßigen Netz von Kniffen, auf dem sich die weißen,
blauen und roten, zum Teil von ihr selbst bemalten
Papierschnitte wirkungsvoll abheben. Auf dem regelmäßig
gefalteten Bildgrund des roten Geschenkpapiers finden
sich vermehrt blaue Papierschnitte, welche die aus
ihm aufsteigende Hitze nicht minder eindrucksvoll kühlen.
Nicht nur ihre zarten malerischen Interventionen,
sondern auch die Farben der von ihr ausgesuchten Papiere
machen deutlich, dass für Maja Clas das Herstellen
ihrer Collagen ein Malen mit anderen Mitteln ist und sie
mit ihnen nur fortsetzt, was sie zuvor bereits mit Pinsel,
Farbe und Leinwand machte.
Der Eindruck, dass in ihnen polare Kräfte wirken, verbindet
die Werke von Maja Clas mit der historischen Geburtsstunde
der Collage. Denn der poetische Eindruck,
der von ihr geschaffenen Bilder hat bei näherem Hinschauen
nicht nur Idyllisches. Es gibt in der Semination
ihrer Elemente immer auch ein Moment des wenig
Harmlosen. Ordnung und Anarchie, der Drang nach
Freiheit wie das Bedürfnis nach Sicherheit, scheinen
stets zugleich da zu sein in den Werken der Künstlerin.
Man konstatiert als Betrachter in ihnen eine Suche nach
Struktur, den Willen, sich zu sortieren, aber zugleich hat
man den Eindruck, vorangegangen sei bereits eine Explosion,
bei dem einem alles um die Ohren geflogen ist.
Eine Art von Urknall, der sich jederzeit wiederholen
kann. Diese Ambivalenz macht nicht nur den Reiz und
die Spannung dieser Werke aus. Durch sie schreiben sie
sich auch in das Buch der Moderne ein.
Michael Stoeber
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Maja Clas
geboren 1965 in Düsseldorf,
lebt und arbeitet in Hannover