KUNST DER VERWANDLUNG
Die Bilder von Daniel Behrendt sind ebenso einfach wie
raffiniert. Sie sind es, weil ihre Motive sich ganz direkt
mitteilen und weil sie so gut gemalt sind. Wir sehen auf
ihnen, in der Regel im fotografischen An- und Ausschnitt,
Hausfassaden. Ihre Architektur folgt dem Betonund
Brutalismus-Kult der 1970er Jahre. Wer aber in
Behrendts Malerei vorrangig die Architektur- und Gesellschaftskritik
entdeckt, macht sich blind gegenüber
ihrer Ästhetik. Das Wunder dieser Malerei ist das Geheimnis
jeder gelingenden Kunst. Ihre Form konterkariert,
anders als Schulweisheit uns glauben machen
möchte, im Letzten immer ihren Inhalt. Sie tröstet uns
hinweg über die misslingende Wirklichkeit, von der uns
die Bilder Mitteilung machen, ohne sie dabei auch nur im
Mindesten zu beschönigen. Im Gegenteil, gerade weil die
Kunst bei ihrer Übersetzungsarbeit so genau und präzise
hinschaut, gelingt es ihr, im Hässlichen das Schöne zu entdecken.
Und uns davon zu überzeugen, dass das Leben, wie
immer es sich auch darstellen mag, lebenswert ist.
„Bunkerbau“ (2010), nomen est omen, zeigt uns die grau
gestrichenen Außenwände eines Hauses, die im rechten
Winkel aufeinander zulaufen. Am oberen Rand werden
sie durch eine weiße Kante abgeschlossen. Sie bildet die
farbliche Brücke zum helleren Dach, das kaum sichtbar,
nur angedeutet, im non finito der Malerei sich zeigt, um
in einem hellgrauen Himmel auszulaufen. Die beiden
Wände treffen genau in der Bildmitte aufeinander. Einerseits
bilden sie einen Keil, der aggressiv in das Blickfeld
des Betrachters stößt, andererseits ordnen sie die
Bildkomposition in vollkommener Harmonie. Auch die
modulierten, dunkelgrauen Strichfolgen der Wände sind
in schöner Balance mit dem horizontal organisierten
Hellgrau. Das Rot des gemauerten Schornstein fügt zum
Grauakkord des Gemäldes einen belebenden Kontrapunkt
und im Glas des kleinen Fensters in der linken
Bildhälfte spiegelt sich die Außenwelt, ohne den Blick ins
Innere des Hauses freizugeben.
Auch „Secret Places“ (2010) hemmt den Blick ins Haus.
Erst prallt er auf eine große, abweisende Betonfassade,
dann entziehen sich ihm die Fenster, weil ihr Glas ihn
blendet und sie geschlossen oder zu hoch gelegen sind,
um Einsicht zu gewinnen. Das offene Fenster, in der
Renaissance das Symbol einer Malerei, die dem Betrachter
Welt und Wirklichkeit zeigt, verschließt sich in
der Moderne. Malerei wird zur Kunst suggestiver Anspielung
wie in Behrendts „Parkeck“ (2010). Das Gemälde
präsentiert einen leeren, verlassenen Gebäudewinkel;
auf dem Boden befinden sich weiße Markierungen
für Autos. Das Ganze sieht aus wie der mögliche Tatort
eines Verbrechens. Aber der Gedanke eilt darüber hinweg,
und das Auge erfreut sich an den altmeisterlich gemalten
Wänden. Nicht anders geht es uns in „Balkon“
(2009). Über seiner Brüstung hängen zum Lüften die
Betten. Ein Bild von bedrückender Leere und Einsamkeit,
in das in überreicher Helle tröstliches Licht strömt.
Daniel Behrendt ist ein Maler, der nicht nur in kompetenter
Weise sein Metier beherrscht, sondern auch die
Kunst der Verwandlung. In seinen Bildern wird das Banale
bedeutungsvoll, das Übersehene wichtig und das
Vertraute im Freudschen Sinne plötzlich fremd. Ein
Grund, warum manche Betrachter seine Werke auch
unheimlich finden. Die Schwermut, Leere und Einsamkeit,
die sie durchwehen – der Mensch ist nur in der Spur
seiner Artefakte vorhanden – werden indes immer erträglich
durch die Sprache, die Behrendts Malerei für sie
findet. Rainer Maria Rilke (1875–1929) schreibt in der
ersten „Duineser Elegie“: „Denn das Schöne ist nichts als
des Schrecklichen Anfang.“ In der Malerei von Daniel
Behrendt dreht sich das Verhältnis um. In seinen Bildern
wird der alltägliche Schrecken durch Schönheit gebannt.
Über dem dunklen, Bild beherrschenden und an das
Dantesche Höllentor erinnernden Schatten von „Markt“
(2010) leuchten hoffnungsvoll Licht durchflutete, bunte
Markisen.
Michael Stoeber
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Daniel Behrendt
geboren 1980 in Stendal,
lebt und arbeitet in Bremen