Salon Salder


Von Partikeln im Schrank und Sukkulenten im Kreis

Hannes Malte Mahler ist den hiesigen Kunstfreunden bereits bekannt und man weiß diesen vielfältigen Künstler zu schätzen, der sich nicht um Grenzen der künstlerischen Ausdrucksformen kümmert, sondern sich der Form bedient, mit der seine Ideen adäquat umgesetzt werden können. Die Kunsthistorikerin Prof. Dr. Anne-Marie Bonnet beschrieb seine künstlerischen Äußerungen in dem Ausstellungskatalog Sprengpunkte & Haftpunkte als „… lustvolle Kommentare zur heutigen Verfasstheit der Welt...“ Seine Antworten kommen leichtfüßig und oft verspielt daher und haben dennoch Gewicht. Mahler’s wacher und lebhafter Geist, der die gesellschaftlichen Diskussionen der Gegenwart begleitet und das klassische Bildungsgut dabei nicht verschmäht, gibt den Arbeiten intelligente und scharfsinnige Verweise mit, die durch Form und Material nicht sofort transportiert werden, sondern erst durch die Reflexion erfahrbar werden. Aber eigentlich geht es Hannes Malte Mahler nicht um eine intellektuelle Verwertbarkeit seines künstlerischen Schaffens, die nur wortreich Kataloge füllt, vielmehr will er dem Betrachter ein Kunsterleben ermöglichen. Bei dem Anblick der Werke überträgt sich die Schaffensfreude des Künstlers auf den Betrachter. Hannes Malte Mahler will Spaß am eigenen Tun haben und öffnet dem Spiel die Tür zur Arbeit, denn das Spiel schafft aus reinem Vergnügen an sich selbst, eine eigene Wirklichkeit. So wie die vielfältigen und vielschichtigen Kunstproduktionen von Hannes Malte Mahler eine eigene Realität hervorbringen, an der die Menschen teilhaben können.

In einem ca. 180 cm hohen Aluminiumschrankkoffer präsentiert Hannes Malte Mahler seine ‚Partikel‘, wie die kleinen Objekte aus Styrodur heißen. Das Material wird üblicherweise für Dämmplatten verwendet und der Künstler benötigt diesen stabilen Hartschaum für seine großen Wandreliefs und andere Arbeiten. Die kleineren Stücke werden zu phantastischen Formen geschnitten, die keiner definierbaren Wesenheit zuzuordnen sind. Die Umrisse sind organisch und es gibt keine Binnenzeichnung oder Gesichter, höchstens eine Form in der Form. Die Figuren erinnern an Tiere oder Pflanzen und sind doch nichts von alledem. Der Schrankkoffer ist in der Mitte aufgeklappt und beherbergt auf drei Regalböden viele dieser bizarren, lila Styrodurgeschöpfe. Wie eine Partikelpopulation liegen sie durch-, neben- und übereinander und wirken durch ihre ungewöhnlichen Formen so lebendig, dass man sie am liebsten einzeln erforschen möchte. Das Material ist an sich wertlos und trotzdem bekommen die Partikel für den Betrachter einen Wert, jenseits des Kunstmarkts. Diesen persönlichen Zugang zur Kunst will Hannes Malte Mahler bei dem Betrachter herstellen und lässt seine Partikel - ganz ubiquitär- in die Welt hinaus schwärmen.

Mit der Außenskulptur „Crassula Centrifuge“ präsentiert der Künstler eine ca. 150 cm hohe Außenskulptur, die wie eine Etagere aus fünf flachen Aluminiumringen besteht und sich nach oben hin verjüngt. Kreisrunde Ausstanzungen bieten passgenaue Halterungen für Blumentöpfe, in denen kleine Crassulaableger eingepflanzt wurden. Im Gegensatz zur lebhaft-organischen Formsprache der Partikel greift Hannes Malte Mahler in dieser Arbeit eher auf die kühle Ästhetik der Minimal Art zurück. Der mehrschichtige Aufbau aus Leichtmetall schafft eine nüchterne, technische Atmosphäre und hebt sich von dem alten Gemäuer des Schlosses ab.

Die Crassula ist eine Sukkulentenart, die ursprünglich aus Afrika stammt und hierzulande als anspruchslose Zimmerpflanze bekannt ist. Unter der Bezeichnung Pfennigbaum verschenkt man sie gerne wie einen Talisman, denn der Pfennigbaum verspricht seinem Besitzer materiellen Wohlstand. In der künstlerischen Arbeit stellt sie den Gegenpol zum technisch-ökonomischen Aufbau der ‚Hardware‘ dar. Sie hält der metallischen Umgebung ihre natürliche biologische Effizienz entgegen, die sie an - passungsfähig macht und durch ein eigenes Wasserreservoir auch Durststrecken überstehen lässt. So, wie die Partikel ausschwärmen, sollen auch die kleinen Blumentöpfe auf den Weg gebracht werden. „Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.“ Diese Worte stammen von Oscar Wilde und haben nicht an Aktualität verloren. Hannes Malte Mahler steuert dieser Haltung entgegen und schafft Möglichkeiten, den Wert einer künstlerischen Arbeit zu erfahren und sogar zu besitzen. Die Crassula wird sich der Umgebung anpassen und vermehren, als Teil des Kunstwerkes ‚Crassula Centrifuge‘ wird ein unscheinbarer Pfennigbaum zum Träger einer Idee, die ein neues Verhältnis zwischen Besucher und Kunst hervorbringen kann.

Pia Kranz

__________________________________________________________________________


Hannes Malte Mahler
* 1968 in Hannover, lebt und arbeitet in Hannover